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Ironischerweise endete ich meinen letzten Post mit der Erwartung, dass die
nächsten Wochen etwas ruhiger werden würden – was habe ich mich doch geirrt. In
typisch vietnamesischer Weise ging es zuletzt stets spontan von einem Trip zum
Nächsten. Zunächst stand das Midterm Seminar mit unserer
Freiwilligenorganisation CSDS an, in dem wir gemeinsam auf die vergangenen,
viel zu schnell vorbeigezogenen dreieinhalb Monate zurückblickten. Wir
reflektierten sowohl über unsere Arbeit in den Projekten, als auch über die vielen
kulturellen Unterschiede zwischen Vietnam und Deutschland, an die wir uns bereits
teils mehr und teils weniger gewöhnt haben. Da wäre beispielsweise die
liebenswerte Direktheit. Eine der ersten und häufigsten Fragen, die man hier
gestellt bekommt ist „Bạn lấy vợ chưa?“ – Bist du schon verheiratet? Dass ich
als 28-Jähriger noch ledig bin, sorgt hier nicht selten für Gelächter, denn in
Vietnam wird durchschnittlich noch wesentlich jünger geheiratet. Mit 30 gilt
man als hoffnungsloser Fall, lange habe ich also nicht mehr. Auch wenn man zugenommen hat, zögert hier
niemand einem das auch zu sagen, ohne es irgendwie böse zu meinen. Während uns
das anfangs noch in Verlegenheit brachte, so gehört es mittlerweile einfach zur
Normalität dazu und resultiert darin, dass man wesentlich einfacher Leute
wirklich kennenlernen kann als in Deutschland und immer weiß, dass Komplimente
und Kritik auch genau so gemeint sind.
Zur Feier des abgeschlossenen Seminars fuhren wir gemeinsam mit unseren
CSDS Freunden Quỳnh Anh, Nguyệt, Lực und Julian gen Westen nach Mai Châu, einem
Distrikt der Provinz Hòa Bình. Auf dem Weg hielten wir an einem Plateau, von
dem man die von leuchtend gelben Reisfeldern und grün bewaldeten Bergen
beherrschte Landschaft Mai Châus überblicken konnte. Unsere Unterkunft war ein
traditionalles nhà sàn (Pfahlhaus) inmitten der erntereifen Reisfelder, in dem
wir alle auf Matratzen auf dem Boden schliefen. Mit dieser Art der Unterkunft
hatten wir bereits in Hà Giang Bekanntschaft gemacht, und es schweißt eine
Gruppe natürlich ungleich mehr zusammen, als kleinere Gruppenzimmer zu haben.
Gestärkt durch einen typisch vietnamesischen Mittagsschlaf machten wir uns auf
den Weg zum Gò Lào Wasserfall, der uns eine willkommene Abkühlung von der nicht
enden wollenden Hitze brachte. Die Wucht der aus circa 30 Metern
herunterprasselnden Wassermassen ist enorm, gegen die Strömung zu waten
erfordert schon einiges an Anstrengung und direkt unter dem Wasserfall fühlt es
sich an wie bei einer besonders kräftigen Rückenmassage. Anschließend
schipperten wir auf einem Boot über den Hòa Bình See in den Sonnenuntergang,
ein wunderschöner Abschluss für einen weiteren Tag voller Erlebnisse.
Eigentlich sollte die darauffolgende Woche der Start in Mias und mein Übergangsprojekt in Hanoi sein, doch wie so oft in Vietnam kam es doch anders als gedacht. Noch in Mai Châu erhielten wir die Nachricht, dass wir kurzfristig an einem Sommercamp auf der Insel Cát Bà als Betreuer teilnehmen könnten. Wir nahmen natürlich dankend an, trafen uns zurück in Hanoi kurz mit dem Organisationsteam des Camps und saßen am nächsten Morgen auch schon im Bus nach Cát Bà. Über fünf Tage organisierten wir in einem abgelegenen Resort diverse Spiele und Aktivitäten für die durchschnittlich 10-jährigen Kinder, tobten im Pool und hatten generell eine tolle Zeit. Am beeindruckendsten waren dabei die Englischkenntnisse vieler Kinder, die teils bereits mit zwei Jahren Unterricht bekommen hatten - wenn man die Augen schloss, hätte man meinen können, es wären Kinder aus Amerika dabei gewesen. Als Abschluss wurde ein Galaabend veranstaltet, für den jeder entweder allein oder als Gruppe eine Performance beisteuerte. Es gab sehr kreative und witzige Tanznummern und Karaoke Auftritte zu sehen, ich begleitete eine gesanglich sehr talentierte Schülerin mit Gitarre und Gesang. Vielen Dank an das Team von Dream Edu, dass ich Teil dieses Camps sein durfte, es war eine tolle Erfahrung, aus der ich so viel mitnehmen konnte – nicht nur die Betreuershirts.
Am letzten Tag des Camps erhielt ich eine Nachricht, die einmal mehr den
Plan für die nächsten Tage durcheinanderwirbelte, denn die Klasse 11A11 der
Vĩnh Phúc High School lud Mia und mich spontan ein, sie auf ihrer Klassenfahrt
nach Mộc Châu zu begleiten. Der Name mag nun etwas bekannt vorkommen, das ist
kein Zufall. Um nach Mộc Châu zu kommen, fährt man von Hanoi aus durch Mai
Châu, hält jedoch den Kurs weiter Richtung Laos. Dementsprechend gleicht sich
die Landschaft der beiden Distrikte sehr, auch unsere Unterkunft war einmal
mehr ein nhà sàn. Diesmal jedoch war es Teil eines großen Resorts mit dem
klangvollen Namen „Happyland“. Von dort machten wir uns auf zum Dải Yếm
Wasserfall, um den ein touristischer Park mit Café, Glasbrücke und Zipline
erbaut wurde.
Zurück im Happyland wurden nach dem Abendessen traditionelle Tänze
aufgeführt, Karaoke gesungen und ums Lagerfeuer getanzt. Nicht fehlen durfte
natürlich der Bambustanz, bei dem man durch drei Paare von Bambusstöcken
springt und tanzt, während diese zum Rhythmus der Musik zusammengeschlagen
werden. Für mich war es außerdem ein Highlight zusammen mit einer Schülerin
einen Song auf Vietnamesisch zu singen, ein großer Meilenstein auf meiner
langen Reise diese Sprache zu meistern. Es hat wirklich unglaublich viel Spaß
gemacht etwas Zeit außerhalb der Schule mit meinen Schülern zu verbringen, es
war als lernte man sich nochmal auf eine ganz andere Art kennen. Gemeinsam
Erlebnisse zu machen, zu singen und zu tanzen ist doch nochmal etwas ganz
anderes als im Klassenraum zu sitzen und führt zu ganz anderen Gesprächsthemen.
Ein ganz großes Dankeschön an alle Schüler der Klasse 11A11 für die Einladung,
es hat mir wirklich viel bedeutet.
Nach diesen turbulenten Wochen waren wir wieder im Plan und starteten unsere Arbeit in der CSDS Bibliothek in Ngọc Bài, einem kleinen Dorf am Rand von Hanoi. Dort unterrichten wir gemeinsam mit anderen internationalen Freiwilligen Kinder von Klasse 2 bis Klasse 8 mit grundlegenden Englischkenntnissen. Es macht so viel Spaß zu sehen wie schnell die Kinder lernen und auch zwischen den Stunden Ball zu spielen oder Kissenschlachten auszutragen. An einem Tag hatten wir sogar die Chance einen Thementag „Go Green“ zu veranstalten, an dem wir unter anderem über Plastiknutzung redeten – denn Plastik wird in Vietnam noch sehr viel für vermeidbare Wegwerfprodukte genutzt – und auch praktisch Hand anlegten und Vogelfutterstationen, Stiftehalter und selbstbewässernde Blumentöpfe aus Plastikflaschen und Dosen bastelten.
Ein Wochenende nutzte ich für einen Trip nach Sa Pa, um der brennenden Hitze
Hanois zu entkommen. Sa Pa ist eine Stadt der Provinz Lào Cai im nördlichen Hoàng
Liên Sơn Gebirge und liegt auf circa 1600 Metern, daher kann man hier selbst im
Sommer Temperaturen um die 20°C genießen, eine willkommene Abkühlung von den
momentan 35°C und mehr in Hanoi. Das Umland Sa Pas kann man nur als
atemberaubend beschreiben, die Landschaft ist ähnlich zur benachbarten Provinz
Hà Giang, von der ich in meinem letzten Post berichtete, es gibt jedoch weniger
Mais- und dafür mehr Reisfelder zu sehen und es ist allgemein etwas höher
gelegen, die Wolken fühlen sich teils zum Greifen nah an. Meine Unterkunft war
ein Bungalow inmitten von Reisfeldern, der Blick von der Veranda ist auf jedem
Fall im Rennen für die beste Aussicht überhaupt.
Die Stadt Sa Pa selbst wurde von den französischen Kolonialisten als
Erholungsort errichtet, was man an der Architektur vieler Gebäude auch nach wie
vor erkennt. Das Stadtzentrum war für meinen Geschmack zu touristisch, und so
verbrachte ich dort auch nicht mehr Zeit als nötig. Einige beeindruckende
Bilder ließen sich dort nichtsdestotrotz knipsen. Allgemein merkt man, dass Sa
Pa wesentlich mehr touristisch erschlossen ist als beispielsweise Hà Giang. Das
erste Mal seitdem ich in Vietnam bin habe ich hier erlebt, dass man an jeder
Ecke dazu angehalten wurde Armbänder und ähnliches zu kaufen, oft leider auch
von Kindern, die wohl in Scharen zum Verkaufen geschickt werden.
Das Highlight des Trips war definitiv der Ô Quy Hồ Pass, der sich von Sa Pa
bis in die benachbarte Provinz Lai Châu auf über 2000 Meter zieht. Die
Landschaft des Hoàng Liên Sơn Gebirges, die man hier zu sehen bekommt, ist
schwer zu beschreiben und wirkt fast mystisch. Hinter jeder Kurve wartet ein
noch beeindruckender Ausblick, wenn die Sonne durch die Wolken bricht kann man
nur ehrfürchtig innehalten und muss doch zweimal blinzeln um zu begreifen, dass
dieser Anblick wirklich real ist. Am Ende des Passes gab es außerdem eine
Glasbrücke auf 2300 Metern, zu der man per Aufzug kam – nichts für schwache
Nerven.
Nun bin ich wieder in Hanoi und unterrichte weiterhin in der CSDS
Bibliothek. Die letzten Wochen haben mir einmal mehr die größte Lektion meines
Vietnamtrips eingebläut: Bleib spontan und nimm jede Gelegenheit war, die sich
bietet. Diesem Mantra folgend kann man hier wirklich unglaubliche Dinge erleben
und ich bin mir sicher, dass das auch in den verbleibenden zwei Monaten nicht
anders sein wird. Wie immer vielen Dank für dein Interesse, ich freue mich
schon darauf bald von neuen Abenteuern berichten zu können.
Bis dahin, tạm biệt và hẹn gặp lại nhé!
-----English version-----
Ironically enough, I ended my last post with
the expectation, that the next few weeks would be a bit more uneventful – oh
boy was I wrong. In typical Vietnamese fashion I spontaneously went from one
trip to the next. Firstly, it was time for the midterm seminar with our
volunteer organisation CSDS, during which we looked back on the past three
months, which went by way too fast. We reflected not only on our time in our
projects, but also on the many cultural differences between Vietnam and
Germany, to which we mostly already have grown accustomed to quite well. For
example, one could mention the endearing straightforwardness of Vietnamese
people. One of the earliest questions in every conversation is “Bạn lấy vợ
chưa?“ – are you married yet? The fact that I, with already 28 years under my
belt, am not married yet, often gets a good laugh. In Vietnam people still
usually marry a lot earlier and when turning 30 you are labeled a hopeless
case, so there is not much time left for me. Also, nobody will hesitate to tell
you if you put on some weight, without ever trying to be mean about it. While
this was a bit awkward for us at first, it has become totally normal to us now
and results in being able to really get to know people much quicker than in
Germany. Also, you can always be sure that praise and criticism is meant
exactly as it is said.
To celebrate the completion of the seminar, we traveled
west to Mai Châu, a district of Hòa Bình province, together with our CSDS
friends Quỳnh Anh, Nguyệt, Lực and Julian. On the way there we stopped at a
plateau overlooking the beautiful landscape Mai Châu’s, dominated by glowing
yellow rice fields and deep green forests on mountains as far as the eye can
see. Our accomodation was a traditional nhà sàn (stilt house), in which we all
slept on matresses on the floor, surrounded by rice fields ready to be
harvested. We had already grown accustomed to this kind of accomodation in Hà
Giang, it naturally fuses a group together much more than staying in smaller
separate rooms. After a well-deserved typical Vietnamese nap, we made our way
to Gò Lào waterfall, which gave us a welcome cooling-off from the neverending
heat. The force of the water coming from about 30 meter above is not to be
underestimated, going against the current to reach the waterfall really
required some effort and standing directly under it felt like a particularly
rough back massage. Afterwards we took a boat to cruise into the sunset on Hòa
Bình lake, a truly beautiful ending to another day full of experiences.
The following week should’ve been the start
into Mia’s and my intermediary project in Hanoi, but as usual in Vietnam things
went different than expected. While still in Mai Châu, we got the message that
an opportunity had presented itself for us to spontaneously take part in a
summer Camp on Cát Bà island. Of course, we said yes, shortly met with the team
organizing the camp back in Hanoi and sat in the bus going to Cát Bà on the
next day already. During five days we organized many games and activities for
children around the age of 10, played in the pool and in general just had an
amazing time. The most impressive thing were the English skills of some
children. Some of them had started taking extra English classes at age two
already. If you closed your eyes, you could’ve thought that there were American
children in the camp. To close out the camp we had a gala night, to which
everyone contributed a performance, alone or as a group. There were many
creative and sometimes funny dance and karaoke performances, I accompanied a
vocally very talented student with guitar and singing. Thanks again to the team
of Dream Edu for giving me the opportunity to be part of this camp, it was an
amazing experience from which I could take away a great deal – not only the
camp shirts.
On the last day of the camp, I got another
message, which threw a wrench in our plans for the coming days again, as class
11A11 of the Vĩnh Phúc High School invited Mia and me to accompany them on
their class trip to Mộc Châu. The name might sound a bit familiar, which is not
a coincidence. To get to Mộc Châu one has to drive through Mai Châu and head
further in the direction of Laos if coming from Hanoi. Therefore, the landscape
of the two districts is quite similar, our accommodation was also a nhà sàn
again. But this time it was part of a big resort with the promising name
“Happyland”. From there we made our way to Dải Yếm waterfall, around which a
touristic park with a café, a small glass bridge and a zipline was built.
Back in Happyland we got to watch traditional
dances after dinner, sang karaoke and danced around the bonfire. Another
integral part of every party in the mountainous regions is the bamboo dance.
Three pairs of bamboo sticks are opened and closed to the rhythm of the music,
while everyone tries to jump and dance through them without twisting their
ankles. Another highlight for me was singing a Vietnamese song together with a
student, a big milestone on my long journey to properly learning Vietnamese. It
was incredibly fun to spend time with my students outside of school, it seemed
like we got to know each other again in a totally different way. Making
experiences, singing and dancing together is after all a totally different
thing than sitting in the classroom and leads to totally different conversations.
A big thank you to all students of class 11A11 for this invitation, it really
meant a lot to me.
After these turbulent weeks we were back on
track for our original plan and started our work in the CSDS library in Ngọc Bài,
a small village at the very edge of Hanoi. There we teach children from second
to eighth grade with a beginner level of English, together with other
international volunteers. It is so fun to see how quickly these children learn
and also to play ball with them or have pillow fights in between lessons. One
time we even had the opportunity to organize a “Go Green“ day, on which we
talked about topics like plastic usage – because plastic is still used for so
many avoidable single use items in Vietnam – and even dabbled in upcycling,
crafting bird feeders, pen holders and self-watering plant pots out of plastic
bottles and cans.
On one weekend I took the opportunity to take a
trip to Sa Pa to escape the scorching Hanoi heat. Sa Pa is a city in Lào Cai
province in the northern Hoàng Liên Sơn mountain range and is approximately
1600 meters above sea level. This means one can enjoy temperatures of around
20°C even during summer, a welcome cooling-off from the 35°C and more that are
normal in Hanoi right now. The countryside surrounding Sa Pa can only be
described as breathtaking, the landscape is similar to the neighbouring
province Hà Giang, which I wrote about in my last post, but there are less corn
and more rice fields. Additionally, the altitude is higher, sometimes you feel
like you can reach out and grab the clouds. My accommodation was a bungalow
surrounded by rice fields, the view from the porch is definitely a contender
for the best view ever.
The city Sa Pa itself was built by French
colonialists as a resort town, which is still apparent in the architecture of
many buildings. The city centre was a tad too touristy for my taste, so I
didn’t spend more time there than I needed. Nevertheless, I was able to take
some beautiful shots of the city during sunset. In general, you can notice that
Sa Pa is significantly more touristy than Hà Giang for example. For the first
time since coming to Vietnam I was constantly swarmed by vendors wanting me to
buy armbands and the like, unfortunately many times also by little kids, who
are apparently send out to sell these things on the streets.
My highlight of the trip was definitely the Ô
Quy Hồ pass, which reaches from Sa Pa all the way into the neighbouring
province Lai Châu, going up to 2000 meters above sea level. The landscape of
the Hoàng Liên Sơn mountain range, which you can experience here, is difficult
to describe and seems almost mystical. After every corner there is an even more
impressive view waiting for you, when the sun is breaking through the clouds
and illuminating the mountains and fields one can only stare in awe. Several
times I had to blink twice to be sure this scene was actually real. At the end
of the pass there was also a glass bridge to which one can get up to by
elevator in 2300 meters altitude – not an activity for the faint-hearted.
Right now, I’m in Hanoi again and still
teaching in the CSDS library. The last weeks have once again taught me an
essential lesson of my Vietnam trip: be spontaneous and always take every
opportunity that presents itself to you. Following this mantra one can experience
really incredible things here and I’m sure that won’t change in the remaining
two months. As always, thank you so much for your interest, I’m very much
looking forward to writing about new adventures soon.
So long, tạm biệt và hẹn gặp lại nhé!
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