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Nach mittlerweile dreieinhalb ereignisreichen Monaten in Vietnam ist es
Zeit Zwischenbilanz zu ziehen. Ich kann es kaum glauben, dass bereits die
Hälfte meiner Zeit als Freiwilliger hier um ist. Viel ist passiert seit meinem
letzten Post, doch heute möchte ich mich einmal auf meinen Alltag als Lehrer
konzentrieren und etwas über meine Zeit an der Vĩnh Phúc High School for the
Gifted reflektieren. Denn mit dem Mai geht leider auch schon das Schuljahr in
Vietnam zu Ende und somit auch das erste Kapitel meines Aufenthalts hier. Ab
Juni wird sich für mich dementsprechend hier einiges verändern, dazu aber
später mehr.
Ein Eindruck vom Schulgelände |
An vietnamesischen High Schools werden, ähnlich der deutschen Oberstufe,
die Jahrgänge 10, 11 und 12 unterrichtet, ich habe mich während meiner Zeit
hier ausschließlich mit allen 14 Klassen des elften Jahrgangs beschäftigt.
Insgesamt gab ich so pro Woche 16 Stunden, wobei ich jede Klasse einmal in Englisch,
sowie zwei Klassen zusätzlich in Mathematik in Englisch unterrichtete. Bei 30 bis 40
Schülern pro Klasse macht das rund 500 Schüler, die ich näher kennenlernen
konnte.
Meine Stunden lagen glücklicherweise immer am Morgen, sodass der Nachmittag
für die Stundenplanung genutzt werden konnte und die Freizeit auch nicht zu
kurz kam. Bereits um 7 Uhr signalisiert die Klingel den Start in den Schultag
und so versuchte ich stets meinen Unterricht mit kurzen Spielen zu beginnen, um
die Schüler erstmal wach werden zu lassen. Thematisch war ich komplett frei vom
Lehrplan, sodass ich Stunden gestalten konnte, die für die Schüler oft auch
methodisch komplett neu waren.
Wie ich hier bereits berichtet hatte, war mein erster Monat hier noch durch
die Pandemie geprägt, was bedeutete, dass der Unterricht nur online stattfinden
konnte. Glücklicherweise hatte ich durch ein Freiwilligenprogramm, in dem ich
bereits seit August letzten Jahres zwei vietnamesische Schülerinnen online
unterrichtete, schon etwas Erfahrung gesammelt. Dennoch fiel grade das
Kennenlernen über Zoom natürlich schwer, vor allem da die meisten Schüler
verständlicherweise ihre Kamera lieber ausgeschaltet ließen. Komischerweise
wurden ausgerechnet zu dieser Zeit auch besonders viele Schüler von Problemen
mit dem Mikrofon heimgesucht – ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Nichtsdestotrotz erfuhren wir schon mehr und mehr übereinander und als wir nach
einem Monat endlich auf Präsenzunterricht umsteigen konnten und ich die Stunden
wesentlich interaktiver gestalten konnte, ging die Beteiligung steil nach oben.
Die ersten Begegnungen im Klassenraum waren natürlich geprägt von viel Nervosität – auf beiden Seiten – und Scheu, etwas vor der Klasse zu sagen. Und so war manchmal auch eine Minute guten Zuredens nötig, um eine Antwort zu bekommen. Dazu war es vor allem nötig, eine gesunde Fehlerkultur zu etablieren, denn viele Schüler waren von der Angst etwas Falsches zu sagen regelrecht versteinert. Daher musste ich Mal um Mal Einstein rezitieren – „Wer noch nie einen Fehler begangen hat, hat noch nie etwas Neues probiert“. Zu sehen, wie die Schüler dies nach und nach immer mehr verinnerlichten, aus sich herauskamen und die gelernten Techniken zum selbstbewussteren Auftreten nutzten, war eine wunderbare und unglaublich bedeutsame Erfahrung für mich.
Bereits in meinen ersten Stunden fiel mir auf, dass der Punkt, an dem ich
wohl den größten Mehrwert bringen könnte, nicht nur Aussprache und
Hörverstehen, sondern vor allem auch Softskills wie Präsentieren und
Diskutieren waren. So redeten wir im Laufe der Zeit beispielsweise über Nutzen
und Gefahren von Social Media, stritten über den Sinn und Widersinn von Zoos,
machten uns Gedanken über und präsentierten unsere bucket lists und
entwickelten Strategien, um sicherer und mit mehr Selbstbewusstsein vor Gruppen
von Leuten zu sprechen. Ich hielt meinen Redeanteil stets so gering wie möglich
und wollte den Schülern eine Plattform bieten, um mit dem Sprechen vor anderen
Leuten vertraut zu werden.
Der letzten Woche des Schuljahres schaute ich mit einem lachenden und einem
weinenden Auge entgegen. Denn einerseits bin glücklich diese Zeit erlebt haben
zu dürfen und freue mich darauf, was mich in den kommenden Monaten erwartet,
andererseits bedeuten die drei Monate Sommerferien in Vietnam, dass dies die
Woche ist, in der ich wohl viele meiner Schüler das letzte Mal sehe. Wir
verbrachten die letzte Stunde mit Spielen und viele Schüler gaben mir wirklich
rührendes Feedback über unsere gemeinsamen Stunden, das mich nochmal in meiner
Sicht auf die vergangenen Wochen bestärkte und den Abschied umso schwerer
fallen ließ. An dieser Stelle möchte ich all meinen Schülern für diese Zeit
danken, die ich sicher nie vergessen und an die ich mit Freude und Stolz zurückdenken
werde!
Sonnenuntergang über unserer Schule |
Wie geht es nun weiter für mich? In den kommenden Wochen werde ich zwischen
Vĩnh Phúc und Hanoi hin- und herpendeln, diverse Events an der Schule
unterstützen und mit unserer Freiwilligenorganisation VPV/CSDS (Volunteers for
Peace Vietnam/Center for Sustainable Development Studies) Projekte rund um
Hanoi unterstützen. Zunächst geht es jedoch für eine Woche in die nördliche
Provinz Hà Giang für ein Sommercamp, bei dem wir ein Hygieneprojekt an diversen
Schulen für Kinder aus den dort beheimateten ethnischen Minderheiten
unterstützen werden. ich werde natürlich in mehr Detail berichten, sobald es
soweit ist, es bleibt definitiv spannend.
Danke an CVP (Chuyên Vĩnh Phúc) für diese unvergessliche Zeit |
Ich hoffe dir hat dieser doch sehr textlastige und thematisch ernstere
Bericht gefallen, wie immer vielen Dank für dein Interesse! Beim nächsten Mal
werden es wieder mehr Eindrücke und Bilder von Kultur, Menschen und Szenerien
dieses wunderschönen Landes, versprochen. Mit der ersten Hälfte meines
Aufenthalts hier nun hinter mir und bereits um so viele bedeutsame Erinnerungen
reicher bin ich unglaublich gespannt darauf, was mich noch erwartet. Auf zu
neuen Abenteuern!
Bis dahin, tạm biệt và hẹn gặp lại nhé!
-----English version-----
After three and a half months in
Vietnam, it is time to take stock of all the things that have happened so far. I
still can barely believe that half of my volunteering time here is over
already. Much has happened since my last post, but today I’d like to focus on
my daily life as a teacher and reflect about my time at the Vĩnh Phúc
Highschool for the Gifted for a bit. With the end of May comes the end of the
Vietnamese school year and therefore also the end of the first chapter of my
stay here. Starting from June there will be big changes for me here, but more
to that later.
An impression of the school grounds |
At Vietnamese High Schools grade
10 to 12 are being taught, similar to the German Oberstufe. During my time here
I focused on all the 14 classes of grade 11. In total I gave 16 lessons each
week, teaching each of the 14 classes in English and also holding two lessons
of mathematics in English. With each class having 30 to 40 students, this means
that I made acquaintances with about 500 students.
Fortunately, all my lessons were
scheduled for the morning, so the afternoon could be used for lesson planning,
and there was also no shortage of free time to explore. Already at 7 in the
morning the bell signaled the start of the school day, so I always started my
lessons with warm-up games to give the students some time to wake up. I was
completely free of the curriculum thematically, therefore I could design
lessons that were oftentimes methodically completely new to the students.
As I’ve already mentioned on
here, my first month was shaped by the pandemic, which meant that lessons could
only be held online. Fortunately, I had already gathered some experience by
teaching two Vietnamese students online in a volunteer program I joined in
August of last year. Still, getting to know each other on Zoom naturally was
quite difficult, especially since many students understandably preferred to
keep their camera shut off. Curiously, many students were also plagued by
microphone problems during this time – or so I was told at least. Nevertheless,
we learned more and more about each other and as we could finally switch to
face-to-face lessons again after a month and I could include much more
interaction in the lessons, participation rose greatly.
The first encounters in the
classroom were of course filled with nervousness – on both sides – and shyness
to say anything in front of the class. And so sometimes a short pep talk was
necessary to get an answer. It was also necessary to establish a healthy
culture of making and encouraging mistakes, as many students were literally
stunned by the fear of saying something wrong. Again and again, I recited
Einstein to them – „ A person who never made a mistake never tried anything new”.
To see how the students took this to heart over time, got out of their shell
more and more and used the techniques we learned to appear more confident, was
a wonderful and incredibly rewarding experience for me.
Already during my first lessons I
noticed that the thing I could be of most use with for the students was not
only pronunciation and listening skills, but primarily soft skills like
presenting and debating. Following this thought we talked about things like the
uses and dangers of social media, debated the necessity of zoos, contemplated
and presented our bucket lists and developed strategies to appear more
confidently when speaking in front of an audience. I always tried to let the
students speak as much as possible and give them a platform to get comfortable
with using English to share their thoughts.
I started into the last week of
the school year with mixed feelings. On the one hand, I’m happy and grateful for
the time I got to experience and am very much looking forward to what the coming
months have in store for me, on the other hand I knew that this was the last
time I will see many of my students. We spent the last lesson playing games and
some students gave me truly touching feedback for my teaching, which once again
reinforced my feelings about the weeks passed by and made the farewell so much
harder. At this point I want to thank all of my students from the bottom of my
heart for this time that I will surely never forget and which I will look back
on with joy and pride!
Beautiful sunset over our school |
So, where does the journey go
from here? In coming weeks, I will be bouncing between Vĩnh Phúc and Hanoi,
supporting some events at the school and working with my volunteer organization
VPV/CSDS (Volunteers for Peace Vietnam/Center for Sustainable Development
Studies) in projects in and around Hanoi. But first, all of us German
volunteers will go to the northern province of Hà Giang for a summer camp, in
which we will support a hygiene project in several schools for ethnic minority
children. I will write about this in more detail when the time comes of course,
it definitely does not get boring here.
Thanks CVP (Chuyên Vĩnh Phúc) for this unforgettable time |
I hope you liked this rather text
heavy and serious post, as always thank you so much for your interest! Next
time there will be more impressions of the culture, people and scenery of this
beautiful country, I promise. With the first half of my stay here already
behind me and so many meaningful memories richer I’m incredibly excited what is
still waiting for me. On to new adventures!
So long, tạm biệt và hẹn gặp lại
nhé!
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